Die Legende von der Riesenseerose

Vorgeschichte

Bernd_Hill1Die Riesenseerose ist eine Pflanze der Superlative, denn ihr Blattdurchmesser kann durchaus bis etwa drei Meter betragen und eine Last von etwa 80 kg aufnehmen. Viele Forscher und auch Architekten wurden in ihrem Bann gezogen und haben ihr ihre Geheimnisse entlockt. So wurde anlässlich der 1. Weltausstellung in London nach dem Vorbild der Blattunterseite dieser Seerose die Kuppel des Londoner Kristallpalastes entwickelt. Diese in Südamerika vorkommende Seerose wird bei den Einheimischen Wasserschüssel genannt. Diese Bezeichnung geht auf den relativ breiten Blattrand zurück. Im Amazonasgebiet ist die Victoria amazonica heimisch und weiter südlich im Pantanal die etwas kleinere Victoria cruziana. Ihre Entdecker gaben ihr den Namen zu Ehren der englischen Königin Victoria (1819-1901), zu deren Regierungszeit bedeutende Entdeckungen in den Naturwissenschaften gemacht wurden. Aufgrund der Faszination die von diesem Wunder der Natur auch für mich ausging, suchte ich während eines Forschungsaufenthaltes in Brasilien in den Nebenflüssen des Rio Paraquay diese Pflanze auf. Ich entdeckte dabei ein Blatt mit einem Durchmesser von 2,48 m.


Bernd_Hill2Marai, eine lieblich anzuschauende, junge Indianerin vom Stamm der Yawalapiti, liebte die Natur mit all den wundersamen Pflanzen und Tieren. Ihr liebster Platz war das breite Flussufer des Rio Tuatvari, unweit ihres kleinen Dorfes. Dort verbrachte sie viele Nächte und beobachtete aufmerksam den strahlenden Sternenhimmel und die Bahn des Mondes. Halb im Traum erschien ihr im Mond das Gesicht eines stolzen, jungen Kriegers und sie verliebte sich in ihn. Von nun an ging Marai jede Nacht an die gleiche Stelle des Flussufers und schaute sehnsuchtsvoll in das Gesicht des Mondkriegers. Sie wünschte sich ein Stern zu sein, um so in der Nähe des Geliebten zu sein. Eines Nachts jedoch, als sich der Mond mit dem Kriegergesicht hell wie niemals zuvor über den Wipfeln der Jacaranda-Bäume zeigte, wollte sie den Mondkrieger für immer gehören. Als sich der Mond auf der Wasserfläche des Flusses spiegelte, dachte sie, der Krieger sei zu ihr auf die Erde gekommen. Daraufhin stieg sie ungeduldig ins Wasser, warf sich in den silbrigen runden Mondspiegel und verschwand für alle Zeiten in den Fluten des Flusses. Die Tiere des Regenwaldes, die Marai ins Herz geschlossen hatten, baten den Mondgott, dass er sie in einen Stern des Wassers verwandeln solle. Einige Zeit später, genau an der Stelle des Flusses wo sie hinab stieg, erblühte ein wunderschöner Blütenstern der Riesenseerose Victoria regia, die Königin der Seerosen. Die Blüten dieser Seerose öffnen sich nur nachts und besonders schön erblühen sie in klaren Vollmondnächten. Marai’s Schwester kommt daher in diesen Vollmondnächten an das Flussufer und singt in Begleitung der Harfe des Leierschwanzes ihr Trauerlied.



Legende Riesenseerose_jpgIm Amazonasgebiet erzählen die Einheimischen oft die Legende von der Riesenseerose, die mich zu diesem Bild inspirierte.

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